Baum auf Zelt

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technische Hilfe - groß
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Einsatzort Details

Rickenbach - Sennhofweg
Datum 02.08.2017
Alarmierungszeit 02:13 Uhr
Einsatzende 03:50 Uhr
Einsatzdauer 1 Std. 37 Min.
Alarmierungsart Funkmeldeempfänger
eingesetzte Kräfte

Abt. Bad Säckingen
DRK
    Polizei

      Einsatzbericht

      Unglück im Zeltlager: Rekapitulation einer stürmischen Nacht

      Ein Jugendlicher stirbt bei einem Ausflug in Rickenbach im Hotzenwald, als bei einem Sturm ein Baum sein Zelt trifft, vier weitere Menschen werden verletzt. War das Unglück vermeidbar?

      Eigentlich ist es ein schöner Platz zum Zelten. 751 Meter über dem Meer liegt der Wanderparkplatz Egg, unweit des gleichnamigen Ortsteils der Hotzenwaldgemeinde Rickenbach im Kreis Waldshut. Die nächsten Häuser stehen nur etwa 100 Meter entfernt. Es gibt einen Spielplatz, eine Grillstelle, eine Schutzhütte und bei schönem Wetter einen atemberaubenden Blick auf die Schweizer Alpen. Für eine 21-köpfige Jugendgruppe aus Herrenberg im Kreis Böblingen hat sich dieses Schwarzwaldidyll in der Nacht zum Mittwoch indes zu einem Albtraum entwickelt.

      Die 17 Jungs im Alter von 13 bis 16 Jahren und ihre vier Betreuer schlafen wohl bereits tief und fest, als gegen 1.45 Uhr ein schweres Unwetter über den Platz zieht – und das Zelt für einen 15-Jährigen zur Todesfalle macht.

      Douglasie entwurzelt


      Am Morgen nach dem Unglück duftet es auf dem Platz frisch nach Waldluft. Doch die Idylle ist trügerisch. Die Grashalme auf der Wiese vor dem Spielplatz sind am Morgen noch geknickt. Sie hatten dem Starkregen und den Sturmböen nichts entgegenzusetzen. Auch zwei große Bäume, eine Tanne und eine Douglasie, beide mehr als 25 Meter lang, waren dem Sturm machtlos ausgeliefert. Die Douglasie wurde entwurzelt, die Tanne brach am unteren Ende ab, beide Bäume stürzten ungebremst auf das weiße Gemeinschaftszelt, in dem ein Teil der Jugendgruppe sich für die Nacht eingerichtet hatte. Der andere Teil der Gruppe hatte laut Polizei in der Schutzhütte auf dem Spielplatz geschlafen.

      Die Schlafsäcke, die die Retter aus dem Zelt geborgen haben, liegen auch am Morgen noch neben der Zeltruine, sie sind völlig durchnässt. Die Kinder und Jugendlichen gehören laut Polizei zu einer größeren Gruppe, die in Schwörstadt am Hochrhein, etwa 15 Kilometer entfernt, für ein mehrtägiges Zeltlager zu Gast war. Von dort habe sich ein Teil der Gruppe am Dienstag zu einem Wanderausflug in den Hotzenwald aufgemacht.

      Helikopter brachte 14-Jährigen ins Hospital


      "Als wir kamen, war der Rettungsdienst bereits vor Ort. Sie hatten den schwerverletzten Jungen versorgt. Dass der andere Junge sofort tot war, war leider auch bereits klar", sagt Tobias Ücker, der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Rickenbach. Der schwerverletzte 14-Jährige war vom Helikopter gegen 3 Uhr ins Kinderspital nach Basel geflogen worden. Zwei weitere Verletzte – einer 13, einer 14 Jahre alt – sowie ein verletzter Betreuer wurden zur Behandlung ins Krankenhaus nach Waldshut gebracht. Der Rest der Gruppe fand in einem Gebäude der Gemeinde Rickenbach Unterschlupf und wurde dort von einem Kriseninterventionsteam betreut. Kurz vor 2 Uhr sei die Feuerwehr alarmiert worden, so Tobias Ücker.

      Zunächst sei nur von einem umgestürzten Baum und einem Verletzten die Rede gewesen. "Ich selbst bin direkt hingefahren. Als ich vor Ort gesehen habe, was los ist, habe ich gleich Verstärkung angefordert." So wurden die Feuerwehren aus Rickenbach und den benachbarten Kommunen Herrischried und Bad Säckingen zum Einsatz beordert. Insgesamt waren 80 Feuerwehrleute im Einsatz. Wobei es gar nicht einfach war, überhaupt nach Egg zu kommen. Die Straßen seien von zahlreichen umgestürzten Bäumen blockiert gewesen. Dies habe sogar den Notarzt aufgehalten, so der Bad Säckinger Stadtkommandant Tobias Förster.

      Das DRK war laut Christoph Dennenmoser vom Kreisverband Säckingen mit 52 Kräften im Einsatz. Gemeinsam mit drei Notärzten, fünf Rettungswagen und einem Hubschrauber versorgten sie die Verletzten. Helfer des Kriseninterventionsteams Waldshut und des DRK begleiteten die Jugendlichen auf ihrer Busfahrt zurück nach Herrenberg. Bis auf den Schwerverletzten und den Betreuer, die sich noch in ärztlicher Behandlung befanden, kehrte die Gruppe so noch am Mittwoch nach Hause zurück. Sie wird nun von der Polizei befragt.

      Erinnerung an Sturm Lothar


      Werner Gebhardt, der Revierförster von Rickenbach, bestätigt die ungewöhnlichen Ausmaße des Unwetters. "Es war nicht vorherzusehen, dass so etwas passiert. Es sind etwa 50 größere und etliche kleinere Bäume umgestürzt. Auf der Höhe des Eggbergbeckens kann man eine richtige Schneise sehen. Dort ist die Windhose vorbeigezogen. Auf fünf Metern Höhe sind die Bäume abgebrochen. So etwas gab es bei Rickenbach zuletzt vielleicht beim Sturm Lothar", sagte er am Mittwoch. Selbst am Morgen lässt sich noch erahnen, welche Macht der Wind gehabt haben muss. Überall liegen Äste und auch kleinere abgebrochene Bäume.

      Die Polizei war sich zunächst nicht sicher, ob ein Blitzeinschlag oder der Sturm die Bäume zu Fall gebracht hatte. Im Laufe der Ermittlungen kristallisierte sich aber heraus, dass es wohl kein Blitz gewesen sein kann. "Wir haben keine Brandspuren gefunden. Deswegen gehen wir davon aus, dass es der Sturm war", sagt Revierleiter Albert Zeh von der Bad Säckinger Polizei. Er selbst sei seit 1984 im Dienst, aber an einen solchen Fall könne er sich nicht erinnern, so der erfahrene Beamte. Die Ermittlungen habe nun das Kriminalkommissariat Waldshut übernommen, um zu klären, ob das Unglück vermeidbar gewesen wäre.

      Bürgermeister geschockt


      Geschockt zeigte sich der Rickenbacher Bürgermeister Dietmar Zäpernick. Er sei am frühen Morgen von der Polizei über das Unglück informiert worden und zum Spielplatz geeilt. Auch er kann sich nicht erinnern, dass es in Rickenbach jemals ein solches Unglück gegeben hat. Der Platz sei allerdings kein offizieller Zelt- oder Campingplatz, so Zäpernick. Deswegen gebe es keine entsprechende Infrastruktur. Die Gemeinde sei seines Wissens nicht darüber informiert gewesen, dass die Gruppe auf dem Platz übernachten wollte. Verboten sei das indes nicht, so Polizeisprecher Mathias Albicker. Eine Nacht dürfe man generell auf öffentlichen Plätzen übernachten, wenn dies nicht ausdrücklich untersagt sei.

      Zäpernick macht der Gruppe deswegen keinen Vorwurf. Er ist tief betroffen von dem Unglück. 1999 habe er den Sturm Lothar erlebt, der im Wald für großen Schaden gesorgt habe. "Mir wäre es lieber, wenn der Wald weg wäre, aber das Kind leben würde", drückt er sein Mitgefühl aus.

      Vom Deutschen Wetterdienst war am Mittwoch zu erfahren, dass die konkrete Unwetterwarnung vor dem Sturm erst in der Nacht, wenige Minuten vor dem Gewitter, ausgesprochen werden konnte. "Solche lokalen Gewitter tauchen ganz plötzlich auf und lassen sich meist nur etwa 30 Minuten bis wenige Stunden vor Eintreffen voraussagen", erklärt Guido Wolz vom DWD. Es habe allerdings eine Vorwarnung gegeben.

       
       

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